31. Mai // 13.00 – 13.15
Humpen mit Emailmalerei
süddeutsch, 17. Jh.
Städtische Sammlung Aachen
Leben in verrückten Zeiten, uns aus gegebenen Anlässen nicht unbekannt: Die den Unwägbarkeiten des Lebens ausgelieferten Menschen der Vergangenheit reagierten auf die Fährnisse des Schicksals schon damals mit Ironie und Spott. Das kalt mit Emailfarben auf die Glaswandung unseres Humpens aufgemalte Medaillon mit männlicher, langhaariger Büste und langschaftigem Stiefel als Kopfbedeckung weist eine erklärende Aufschrift auf: „Die Mode lässt nicht gut/Ein Stiefel ist kein Hut/Doch weiln das Recht auf dieser Erden gar ofte muß verkehret werden, so sieht auch das nicht tumm [= dumm]/warum? Es kehrt sich alles um“. Wird im Fall des großen süddeutschen Glasgefäßes aus dem 17. Jahrhundert am Textanfang plakativ und vorgeblich auf die Kleidungsmode angespielt, so handelt es sich natürlich in Wahrheit um eine Parodie auf Rechts- und Herrschaftsver-hältnisse im absolutistischen Zeitalter. Die ungewöhnliche Darstellung geht möglicherweise auf eine Illustration in einem Band des fünfbändigen humoristischen Romanzyklus „Gargantua und Pantagruel“ (1532-1564) des französischen Schriftstellers und Humanisten Francois Rabelais (ca. 1494-1553) zurück. Bemerkenswerterweise ist das markante Erkennungszeichen des amerikanischen Performance-Künstlers und Aktivisten für Anachronismus Vermin Love Supreme (*1961) der auf dem Kopf getragene große Stiefel. Jedenfalls sollte man angesichts von Krisen nicht „den alten Stiefel weitermachen…“
Mit Michael Rief
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