Lade Veranstaltungen

Kunstpause – „Halt Du doch die Klappe“

28. Juni // 13.00 – 13.15

„Halt Du doch die Klappe!!!!!!“
Chorgestühls-Sitzbrett (Fragment) mit figürlich gestalteter Miserikordie (halbfiguriger junger Mann)
flämisch, um 1530-1550,
Eiche

Aus schriftlichen Quellen ist bekannt, dass die Klappsitze der Chorgestühle in Kloster- und Stiftskirchen schon seit dem 11. Jahrhundert mit „Miserikordien“ ausgestattet waren. Bei letzteren handelt es sich um einfache, schmucklose oder auch profilierte und reich beschnitzte Konsolen, die auf der Unterseite der Klappsitze angebracht waren. Diese architektonischen Elemente zeigen eine reiche Bilderwelt. Neben Themen aus dem alten Testament und aus der christlichen Symbolik (Pelikan usw.) wurden die Konsolen oft mit sehr „unkatholischen“ Motiven ausgestattet, die der Mythologie oder Tierfabeln, wohl auch derben volkstümlichen Schauspielen entnommen sein konnten. Meist werden gesellschaftlich geächtete, negative Verhaltensweisen und geradezu Obszönitäten dargestellt. In unserem Fall handelt es sich um die Büste eines nackten, jungen, langhaarigen Mannes, der die Miserikordie mit nach oben gestreckten Armen zu halten scheint. Es könnte sich um den alttestamentarischen Samson oder um die antiken Helden Herkules bzw. Perseus handeln. Im hochgeklappten Zustand des Sitzes konnten sich die Mönche/Nonnen während der Stehzeiten bei der Feier der Liturgie mit ihrem Gesäß auf den Miserikordien aufstützen. Letztere waren ursprünglich wohl nur für ältere, kranke oder geschwächte Mönche bzw. Chorherren bzw. Nonnen gedacht. Beim Hoch- oder Herunterklappen des Sitzbrettes sollte möglichst kein Lärm gemacht werden, um den Ablauf der Heiligen Messe nicht zu stören. Die Ordensleute bewegten deshalb die Sitzbretter vorsichtig nach oben und unten, indem sie „die Klappe hielten“. Diese ursprüngliche Redensart ist auch noch heute üblich, wenn man meint, jemand soll „keinen Lärm machen“ bzw. in der heute etwas veränderten Bedeutung: „sei still, halte Deinen Mund“ (= umgangssprachlich „Klappe“).
Mit Michael Rief

@suermondtludwig auf Facebook und Instagram und auf dem YouTube Kanal „aachen macht kultur“